FGM/C – Projekt WeMuFra

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Das Projekt

Bei dem Projekt WeMuFra (Weg der mutigen Frau) handelt es sich um ein vom bayerischen Sozialministerium finanziertes Präventionsprojekt gegen weibliche Genitalbeschneidung (FGM/C). Das Präventionsprojekt ist bei der Gleichstellungsstelle des Landratsamts Neu-Ulm angesiedelt und findet in enger Kooperation mit Frauenberatung und Notruf – Schwerpunkt Sexualisierte Gewalt (Neu-Ulmer Arbeiterwohlfahrt OV e.V.) statt. Das Modellprojekt wird wissenschaftlich von Frau Prof. Dr. Nicole Schmidt, Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Katholischen Stiftungshochschule München, begleitet.

Ansprechpartnerinnen des Projektes für den Raum Günzburg und Neu-Ulm:

Bereich Beratung und Begleitung, Netzwerkarbeit
Frau Mirjam Keita-Schlosser und Frau Martina Nevyjel
Kantstr. 8, 89231 Neu-Ulm
Email: gleichstellungsbeauftragte@lra.neu-ulm.de; mirjam.keita-schlosser@lra.neu-ulm.de
0731 7040 1025; 0731-7040 – 2510

Frauenberatung und Notruf – Schwerpunkt Sexualisierte Gewalt
Neu-Ulmer Arbeiterwohlfahrt, Ortsverein e.V.
Anneliese Wolf, Aileen Zillien und Jana Gaier
Silcherstraße 45
89231 Neu-Ulm
Tel: 0731 / 73737 oder 0731 / 378 396 76
Email: notruf@awo-neu-ulm.de

Koordination Multiplikatorinnenpool im Projekt WeMuFra
Frau Bettina Ostermann
Email: info@bettina-ostermann.de
0731-7040 1025

Basisinformationen zum Thema FGM/C

FGM/C bedeutet Female Genital Mutilation/Cutting, also weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung. Weltweit – über die Kontinente verteilt – leben nach Schätzungen von UNICEF (2016) mindestens 200 Millionen bereits beschnittener Frauen und Mädchen aus rund 30 Ländern, in denen FGM/C immer noch praktiziert wird. FGM/C wird im afrikanischen (Sierra Leone, Sudan, Somalia etc.) und arabischen Raum (Irak, Jemen etc.) praktiziert. Außerdem in asiatischen Ländern (z.B. Indonesien, Malaysia) und vereinzelt in Südamerika (Peru, Kolumbien). Die Genitalbeschneidungen werden bei Mädchen im Säuglings- und Kleinkindesalter bis hin zu etwa fünfzehn Jahren durchgeführt. Die Tradition der genitalen Beschneidung von Mädchen und Frauen aus nichtmedizinischen Gründen existiert seit tausenden von Jahren. Sie wird aufgrund verschiedener Motive durchgeführt – insbesondere aufgrund kultureller oder religiöser Bräuche, falschem Wissen oder Aberglaube, sozialen/gesellschaftlichen Drucks oder angeblicher medizinischer Vorteile. Keine Religion schreibt FGM/C vor – der Brauch ist älter als das Christentum, der Islam und andere Religionen. Die gesundheitlichen und psychischen Folgen für die Betroffenen sind erheblich. Rund 10% der Beschnittenen sterben an den direkten Folgen der Beschneidung, 20-25% an den Spätfolgen. Die Überlebenden leiden unter einer Vielzahl von Langzeitfolgen. Nach verschiedenen internationalen Konventionen, besonders durch die Ergänzung der Afrikanischen Charta für Menschen- und Völkerrechte 2003 (Maputo-Protokoll), steht weibliche Genitalbeschneidung heutzutage in einer Reihe von afrikanischen Ländern offiziell unter Strafe. Allerdings wird sie auch dort häufig im Verborgenen fortgeführt. Schätzungen zufolge gibt es derzeit auch in Deutschland rund 75.000 Frauen, die von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen und rund 20.000 Mädchen, die davon bedroht sind (Dunkelzifferstatistik von Terre des Femmes 2019).

Dem bayerischen Sozialministerium war es daher ein Anliegen, für von FGM/C betroffene Frauen und Mädchen flächendeckend niedrigschwellige Beratungsfachstellen einzurichten, woraus unter anderem das Projekt WeMuFra (initiiert durch Mirjam Keita-Schlosser) entstand. Es soll von FGM/C betroffenen oder gefährdeten Frauen, Mädchen und Familien als Anlaufstelle dienen sowie Informations-, Austausch- und Unterstützungsmöglichkeiten bieten. Wie auch die anderen Formen von Gewalt gegen Frauen, ist die weibliche Genitalbeschneidung kein persönliches, sondern ein gesellschaftliches Problem.

Weitere Informationen zu FGM/C

(Achtung: Inhalte und Videos zu FGM/C können für Betroffene sowie Außenstehende belastend bis retraumatisierend wirken)

Genitalbeschneidung oder Genitalverstümmelung?

Wird über FGM/C gesprochen, ist dies (naheliegender Weise) häufig mit starken Emotionen, Bestürzung und Anteilnahme verbunden. Schnell fallen Worte wie „grausames Ritual“ oder „barbarische Praktik“, auch in der Presse und anderen öffentlichen Kanälen. Es steht natürlich außer Frage, dass FGM/C eine dramatische Menschenrechtsverletzung darstellt, welche von unvorstellbaren Schmerzen, Traumata und lebenslangen Folgen begleitet wird und welche in der Zukunft nicht weiter bestehen darf.

Allerdings erfordert das Thema einen sensiblen Umgang inklusive einem bewussten Sprachgebrauch: Viele von FGM/C betroffene Frauen sind in einer Umgebung aufgewachsen, in welcher sie durch die Beschneidung als rein, respektabel und heiratsfähig gelten. Immer wieder bestehen auch Mythen – beispielsweise, dass Frauen ohne die Beschneidung keine Kinder gebären könnten. Und in der Regel befürworten die eigene Mutter oder Großmutter die Beschneidung – weil sie ja nur das Beste für ihre Töchter wollen. Oft wird den Mädchen im Vorfeld lediglich von einem großen Ereignis oder gar einem Fest für sie erzählt, auf welches sie sich zunächst freuen. Im Kontrast dazu steht dann die reale, schmerzhafte, traumatische Erfahrung. Was für ein Spannungsfeld, in welchem sich die Betroffenen befinden. Wenn die Frauen nun nach Deutschland in eine Umgebung kommen, in welcher von den bereits erwähnten „barbarischen Ritualen“ und „Verstümmelung“ die Rede ist, kann dies stigmatisierend und auch entwürdigend auf sie wirken. Über das ohnehin tabuisierte Thema kann dann von Seiten der Betroffenen (oder Bedrohten) dadurch noch weniger gesprochen werden. Ein Dialog und eine Bearbeitung des Problems (- gesellschaftlich sowie die vielen Einzelschicksale -) werden dadurch erschwert. Man kann sich vorstellen, dass eine Betroffene nicht als „Verstümmelte“, sondern als vollwertige, „ganze“ Frau mit Würde gesehen werden möchte.

Deshalb wird derzeit im fachlichen Diskurs der wertneutralere Begriff ‚Genitalbeschneidung‘ jenem der ‚Genitalverstümmelung‘ vorgezogen. Dies soll keine Bagatellisierung bedeuten, sondern Rücksichtnahme für die Betroffenen darstellen. (Natürlich werten Betroffene die beiden Begrifflichkeiten unterschiedlich und einige möchten ganz klar von Genitalverstümmelung sprechen.)

FGM/C und seine Rolle in Deutschland

Wie bereits erwähnt, leben in Deutschland derzeit rund 75.000 von Genitalbeschneidung betroffene Frauen und 20.000 bedrohte Mädchen (Dunkelzifferstatistik von Terre des Femmes 2019). Diese in Deutschland lebenden Kinder gelten als bedroht, da das Risiko besteht, dass sie beispielsweise in den Ferien im Herkunftsland beschnitten werden. Teilweise sind die Eltern auch gegen die Beschneidung, aber können sich nicht gegen ihre Familie durchsetzen und ihre Töchter in der Heimat nicht davor bewahren (aufgrund der dort herrschenden Familien- und Gesellschaftsstrukturen). Zuweilen werden auch in Deutschland Beschneidungen durchgeführt. FGM/C ist in Deutschland strafbar und es ist auch strafbar, wenn FGM/C im Ausland durchgeführt wird (- das Strafmaß liegt bei bis zu 15 Jahren Haft). Um auf diese Tatsache hinzuweisen und damit den Schutz der Mädchen hoffentlich zu erhöhen, hat die Bundesregierung einen Schutzbrief herausgegeben, welchen von FGM/C bedrohte Mädchen bei sich tragen und deren Familien in ihren Herkunftsländern vorzeigen können.

Schutzbrief (Deutsch) https://www.bmfsfj.de/resource/blob/179278/272ac36ddc6ad4490af8cf3ed4d8902f/schutzbrief-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung-deutsch-data.pdf

Die Stadt Hamburg stellt Übersetzungen des Schutzbriefes in unterschiedlichen Sprachen zur Verfügung (Amharisch, Arabisch, Englisch, Dari, Farsi, Französisch, Kurmanci, Portugiesisch, Russisch, Somali, Tigrinya, Zazaki):

Schutzbrief (Französisch) https://www.hamburg.de/contentblob/12232758/e6e6f8b64f813c6fcfad681c58f527ad/data/declaration-fgm-francais.pdf

Schutzbrief (Englisch) https://www.hamburg.de/contentblob/12232756/14fa2498c450339a176fb77b1feded29/data/statement-fgm-english.pdf

Schutzbrief in den weiteren Sprachen https://www.hamburg.de/opferschutz/12138124/schutzbrief-gegen-genitalverstuemmelung/

Aus der geschilderten Lage ergeben sich weitere Aufgaben für die deutsche Politik und Gesellschaft. Um nur ein Beispiel zu nennen, sollten Pädagog*innen in Kitas und Schulen für FGM/C sensibilisiert werden, sodass gefährdeten Mädchen geholfen werden kann. 

Weibliche und männliche Genitalbeschneidung

Jeder derart bedeutende und folgenschwere Eingriff in den eigenen Körper und die eigene Sexualität eines Menschen ohne dessen Einwilligung wie es die Beschneidung ist – ob bei Mann oder Frau – geht nicht spurlos an einem Menschen vorbei und sollte wohl grundsätzlich von einer reflektierten humanistischen Gesellschaft hinterfragt werden.

Allerdings ist die weibliche Genitalbeschneidung nicht mit der männlichen zu vergleichen: Die Form Typ 1 der weiblichen Genitalbeschneidung (- es gibt noch drei weitergehende Formen von FGM/C…) beschreibt die Entfernung der Klitoris. Die Klitoris ist biologisch vergleichbar mit der Eichel des Penis. Wolle man einen Vergleich ziehen, würde allein Typ 1 beim Mann also die Entfernung der Eichel bedeuten. Und dies beschreibt wie gesagt lediglich Form 1 der weiblichen Genitalbeschneidung.

Hilfe für Betroffene

 Medizinische Versorgung und rekonstruktive Chirurgie in Bayern (München):
https://www.isarklinikum.de/fachbereiche/bayerisches-beckenbodenzentrum/
https://www.plastische-chirurgie-muenchen-ms.de/rekonstruktion/
https://www.frauenaerztin-am-stachus.de/

Bundesweite Liste mit AnsprechpartnerInnen zu medizinischen, juristischen und sozialen Leistungen in Sachen FGM/C von Terre des Femmes: https://frauenrechte.de/images/downloads/fgm/2020/Bundesweite-Liste-_AnsprechpartnerInnen-FGM_C-Oktober-2020.pdf )

Weitere Informationen, Akteure & Links

FGM in Afrika (Terre des Femmes) https://frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/allgemeine-informationen/fgm-in-afrika
FGM in Asien – eine Übersicht (Terre des Femmes) https://www.frauenrechte.de/images/downloads/fgm/FGM-in-Asien.pdf
FGM in Südamerika (Terre des Femmes) https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/allgemeine-informationen/fgm-weltweit
FGM in Europa (Terre des Femmes) https://frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/allgemeine-informationen/fgm-in-europa
Netzwerk Integra: https://www.netzwerk-integra.de/
Forward for Women: https://forwardforwomen.org/
Bildungsportal Kutairi: http://www.kutairi.de/grid/fakten/
Materra: https://www.materra.org/aktuelle-projekte/tansania-fgm-aufklaerung/
Nala e.V.: https://www.nala-fgm.de/fgm/fakten.html
Stop Mutilation e.V.: http://www.stop-mutilation.org/
Fulda-Mosocho-Projekt: https://www.fulda-mosocho-project.com/

Videobeiträge zum Thema
#TheOtherVulva: Ein Film über weibliche Genitalverstümmelung  https://www.youtube.com/watch?v=o1qJT8kgqTg
Jahas Versprechen – Afrikanerin kämpft gegen Mädchenbeschneidung https://www.youtube.com/watch?v=iYNi4EDSmfQ
Female Genital Mutilation. Eine burkinische Sicht. https://www.youtube.com/watch?v=KFNUouo13go
Weibliche Verstümmelung – Wie eine Rapperin die grausame Tradition stoppen will https://www.youtube.com/watch?v=620AOt8gYYk
Grausames Ritual – beschnittene Mädchen suchen Hilfe in Deutschland | DokThema | Doku | BR https://www.youtube.com/watch?v=qAYsKiCWyGQ
Tabuthema Genitalverstümmelung: Sie bricht das Schweigen, reporter https://www.youtube.com/watch?v=AemJT6D2h2Y
Fulda Mosocho Projekt erfolgreich gegen Genitalverstümmelung  https://www.youtube.com/watch?v=A-P_SJWR7oA
WDR Frau tv – Weibliche Genitalverstümmelung – Hilfe für betroffene Frauen https://www.youtube.com/watch?v=l0UFxv1BGQ4
Mädchenbeschneidung – Ich erzähle euch meine Story um aufzuklären – Listen & Talk – by Saraversum https://www.youtube.com/watch?v=au0ZyncR9iI

Literatur
Literaturliste von INTEGRA – Netzwerk gegen weibliche Genitalverstümmelung  https://integra3.jimdo.com/dokumente/

 

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